Schindler, Oskar, 1908 - 1974. AE Verzinnte Bronzeplakette 1943. Arbeiter nach halbrechts hält Tafel mit der Aufschrift ALLES - FÜR - DEUTSCHLAND - 1943 (Devise der SA), im Hintergrund Fabrikanlagen, darunter Gravurfeld mit Inschrift OSKAR SCHINDLER (mitgegossen). 75,5 x 61,5 mm. 58.75 g.
RRR! Es ist wohl müßig, allzu viele Worte über die Biografie von Oskar Schindler zu verlieren, der einer breiten Öffentlichkeit spätestens seit dem Film aus dem Jahre 1993 bekannt ist. Wir wollen uns daher an dieser Stelle auf die Umstände beschränken, die für das vorliegende Stück relevant sind.
Von 1939 bis 1944 betrieb Schindler die Firma Deutsche Emailwarenfabrik (DEF) bei Krakau, die in Wesentlichen Essgeschirr für die Wehrmacht, aber auch Munition herstellte. Die Arbeiterschaft des Betriebs bestand weitgehend aus Juden des Generalgouvernements. Es ist hinlänglich bekannt, daß Schindler sich das Wohlwollen der deutschen Besatzungsbehörden und der SS durch Bestechungen und kleine Geschenke unter Freunden zu sichern wußte. Das garantierte nicht nur den wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens, sondern ermöglichte es ihm auch immer wieder, schützend für seine Juden eintreten zu können; zunächst wohl noch aus eher eigennützigen Gründen, dann aber immer mehr aus der Erkenntnis heraus, daß vor seinen Augen großes Unrecht geschieht. Die Auflösung des Krakauer Gettos im Jahre 1943 brachte für ihn eine schwierige Sitution mit sich. Letztlich gelang es ihm aber, seinen Betrieb formal als eine Außenstelle des Zwangsarbeitslagers Plaszow (Plaschau) fortzuführen und damit die Deportation / Ermordung seiner Arbeiter zu verhindern. Erwähnenswert ist der Umstand, daß Schindler spätestens 1943 über Kontakte zu jüdischen Hilfsorganisationen verfügte und in diesem Zusammenhang heimlich nach Budapest reiste, um sich dort mit deren Vertretern zu treffen. Ende 1944 wurde das Lager Plaszow von der SS aufgrund der desolaten Kriegslage und des Vormarschs der Roten Armee liquidiert, die Insaßen in Vernichtungslager überstellt. Erneut gelang es Schindler aufgrund seiner Kontakte und durch Bestechungen, für seine Arbeiter eine andere Regelung zu treffen. In diesem Zusammenhang entstand Schindlers Liste. Er durfte seine Produktion im mährischen Brünnlitz, Bezirk Zwittau, fortsetzen und seine Arbeiter dorthin mitnehmen, wo sie bis Kriegsende verblieben und im Mai 1945 befreit wurden. Schindler selbst floh vor der anrückenden Roten Armee.
Nun zum vorliegenden Stück: In den 1990er Jahren tauchte eine bildgleiche Plakette - diese jedoch etwas größer und geprägt sowie graviert, also nicht komplett gegossen wie das vorliegende Stück - im Handel auf. Es darf spekuliert werden, ob dieses damalige Stück, dessen Verbleib uns leider nicht bekannt ist, im Zusammenhang mit Schindlers Koffer stand; einem spektakulären Fund von Dokumenten und weiteren Habseligkeiten, die Schindler nach dem Krieg in Hildesheim zurückgelassen hatte. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß das hier vorliegende Stück von dem in den 1990ern aufgetauchten Exemplar noch vor Kriegsende gußtechnisch abgenommen wurde. Vor allem die Art und Weise der Herstellung sprechen dafür. Es handelt sich hier um einen recht groben Sandguß von der Art, wie er in den Werken Schindlers in Kraukau oder in Brünnlitz möglich gewesen ist. Auch die Art der Oberflächenbehandlung spricht dafür. Das Stück ist verzinnt, nicht etwa versilbert. Auch das entspricht den Produktionsmöglichkeiten der DEF in Kraukau und in Brünnlitz.
Leider ist nichts Genaues darüber bekannt, wie das vorliegende Stück nun auf uns gekommen ist, aber es liegt die Vermutung nahe, daß es sich um einen Teil der kleinen Geschenke unter Freunden handelte, die Schindler zu verteilen pflegte. Mit immer schwierigerer Kriegslage war auch für Schindler die Beschaffung solcher Dinge nicht mehr einfach so möglich. Er konnte allerdings mit den Mitteln seiner Fabrik solche Objekte selbst anfertigen lassen. Zumindest in einem Fall wissen wir sicher, daß in den Werkstätten der DEF in Brünnlitz kleinere Gußarbeiten gefertigt wurden: Der Goldring, den die Arbeiter Oskar Schindler im Mai 1945 zum Dank geschenkt hatten. Jozef Gross hatte das Model, die Form und den Guß gefertigt. Wir können wohl eher ausschließen, daß es sich bei der vorliegenden Plakette ebenfalls um ein Geschenk der Belegschaft an Schindler gehandelt haben könnte, da diese wohl kaum die Devise der SA verwendet hätten. Nach intensiver Befassung mit dem Stück und Recherche erscheint uns aber plausibel, daß es sich hier um eine Stück handelt, das im Werk der DEF, wahrscheinlich nicht allzulange vor Kriegsende in Brünnlitz, zu Geschenk- beziehungsweise Bestechungszwecken von jüdischen Arbeitern im Auftrag Schindlers angefertigt wurde; möglicherweise sogar von Jozef Gross persönlich. Auch wenn sich letzte Zweifel an der Authentizität wohl nie abschließend werden klären lassen, glauben zumindest wir, daß hier ein originales Zeitdokument einer der bemerkenswertesten Episoden des Zweiten Weltkriegs und der Geschichte des Holocaust vor uns liegt. Es mag sich jedoch jeder selbst ein Bild hierzu verschaffen. Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung.
In den Ecken jeweils gelocht, Verzinnung teils migriert, ansonsten fast gußfrisch; MEDAILLEN; JUDAICA; Schindler, Oskar, 1908 - 1974.