NIKAIA. Marc Aurel, 161 - 180 n. Chr. AE Diassarion ø 29mm (14.56g). St. 195°. Vs.: [AVT · KAI · M · AV]PH [·] - AN[TΩNEINOC], Kopf mit Lorbeerkranz n. r.; l. hochovaler Gegenstempel mit Nike n. r.; r. runder Gegenstempel mit Kopf des Caracalla Augustus, mit Lorbeerkranz, n. r. Rs.: [NIKAIEU]-N (!), eine jugendliche, bartlose Gestalt, mit hochgebundenem Haar, in hochgebundenem Chiton, mit Kothurnen, mit Skeptron, die ihre Rechte an die linke Wange des Pferdes legt. RPC IV 1 online 5517.1 = Rec. gen. 423, 193 Revers Taf. 71, 23 (Berlin); 5517.2 = London 1907.10.2.2; 5517.3 = SNG Cop. 486; 5517.4 = Col. CGT (alle ohne Gegenstempel).
Ex Savoca 32nd Blue Auction, München 2020, Los 869.
Das gut erhaltene Londoner Exemplar zeigt die ungewöhnliche Reversszene klar (vgl. die Londoner Gemme F. Imhoof-Blumer / O. Keller, Tier- und Pflanzenbilder auf Münzen und Gemmen des klassischen Altertums. Stuttgart 1889, 103 Taf. 16, 56). Allerdings kann nicht, wie dort vorgeschlagen, Commodus Caesar gemeint gewesen sein, princeps iuventutis seit dem 7. Juli 175. Münzbilder von Kaiser wie Caesar und Ross waren nur denkbar als Reiter, auf einem üblicherweise steigenden Ross, nach rechts, zur Feindseite. Neben einem Pferd in Ponygröße, tätschelnd stehend, konnte kein Kaiser oder Caesar abgebildet werden, sondern allenfalls der Leib-Stallbursche. Auf dem vorliegenden Typ ist vielmehr eine junge Frau mit Skeptron zu erkennen. Es handelt sich um die Amazonenkönigin Antiope, als Gemahlin des Theseus in Zivilmanier, mit ihrem Pferd.
Antiope, Tochter von Ares und Otrere (Hyginus, fabulae 30) oder der Hippolyte (Servius, Aeneis 11, 661) war Königin der Amazonen. Theseus entführte und heiratete sie (Plutarch, Theseus, 26, u. a.). Plutarch, Theseus 26, überliefert: Menekrates, Autor einer Geschichte der Stadt Nikaia in Bithynien, erzählt, Theseus hätte die Amazonenkönigin entführt, zur Frau genommen und sich einige Zeit lang mit ihr in Bithynien aufgehalten, mit drei jungen Gefährten aus Athen, den Brüdern Euneos, Thoes und Soloon. Letzterer entbrannte unglücklich in Liebe zu Antiope und ertränkte sich vor Liebeskummer im Fluss. Theseus verfiel in große Bestürzung. Da erinnerte er sich an einen Orakelspruch der delphischen Pythia: sollte er jemals in einem fremden Land in große Trauer verfallen, sollte er dort eine Stadt gründen und einige seiner Begleiter als Bevollmächtigte zurücklassen. So gründete er die Stadt Pythopolis, das spätere Nikaia, und benannte den Fluss, der später Sangarios hieß, nach seinem Freund Soloon. Euneos, Thoes und den attischen Patrizier Hermos betraute er mit der Führung der Stadt und kehrte nach Athen zurück. So war die Amazonenkönigin, nach Menekrates, in gewisser Weise eine Ur-Gründungsmutter von Nikaia (vgl. auch das Sagenbild von Theseus und Soloon auf der Münze von Valerianus und Gallienus (Los 1449). Antiope folgte Theseus zurück nach Athen, wo sie starb; Pausanias, 1, 2. 1, erwähnt ihr dortiges Grabmal, am Stadteingang, von Phaleron aus.
Das Gegenstempelpaar wurde anlässlich der Agone von 204 verwendet (gleichzeitig wurden Punzen verwendet mit Kopf des Septimius Severus (z.B.: RPC IV.1 online 9434 [Lucius Verus] sowie Kopf des Geta Caesar, ohne Lorbeerkranz (RPC IV.1 online 5995.1 = Rec. gen. 431, 252 = Wien GR 15587 [Commodus]) (s. u.).
Grüne Patina, s-ss; RÖMISCHE PROVINZIALPRÄGUNGEN; BITHYNIEN; NIKAIA